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1870/71 Biwak am Auberg Gedenken an die französischen Kriegsgefangenen in Gerolstein

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150 Jahre nach Ende des Deutsch-Französischen Krieges  begrüßten  Gerolsteiner und Pelmer Bürger den französischen Militärforscher Jean Paul Blanchard und dessen Assistentin Joceline Nichele auf dem alten Friedhof in Sarresdorf.  Das Zusammentreffen galt  der 1870/1871 in Gerolstein  verstorbenen, französischen Kriegsgefangenen .  Es handelt sich um eine  Opfergruppe,  die in der deutschen Erinnerung weitgehend vergessen worden ist.

Mit einer kurzen Ansprache an die Gäste leitete Herbert Lames , in Vertretung des Stadtbürgermeisters Uwe Schneider,  die Ehrung der dort  beigesetzten Kriegsopfer ein. Georg Mäschig  übersetzte die  Begrüßungsworte in die französische Sprache.

„Niemand von uns will Krieg!“, so Herbert Lames, deshalb sei  es wichtig, sich an die Toten der Kriege zu erinnern. „Sie dürfen nicht vergessen werden! Sie mahnen zum Frieden  - gerade in der heutigen Zeit  im Hinblick auf den Krieg in der Ukraine.“

Die Betroffenheit der kleinen Gruppe von Teilnehmern war spürbar. Schnell entstanden interessante Gespräche. Angriffskrieg ? Verteidigungskrieg? Befreiungskrieg? Raffiniert angelegtes Intrigenspiel? Wer hat wen in einen Krieg manövriert? Bis heute sind Fragen nach Ursachen  und Rechtfertigungen (nicht nur) des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 umstritten. Deutsche, wie auch französische Geschichtsschreiber haben sie von Anfang an verschieden beantwortet. Einig ist man sich, dass dies der Beginn einer unheilvollen Entwicklung  brutalster Gewalt in Europa war.

Es war ein sinnloser, grausamer Krieg,  der auch im Vulkaneifelkreis Spuren hinterlassen hat. Erinnerungskultur und die die großen politischen Veränderungen, die nach 1870/71 folgten, verankern diesen  Krieg besonders stark im Bewusstsein der französischen Bevölkerung.

Aus dieser Motivation besuchte  Jean Paul Blanchard die Gedenkstätte seiner französischen Landsleute in Gerolstein.  Vor 150 Jahren haben mindestens elf  französische Kriegsgefangene auf dem alten Friedhof in Sarresdorf ihre letzte Ruhestätte gefunden.  „Wahrscheinlich waren es viel mehr“, vermutete Wolfgang Merkelbach.  „Sie starben laut Amtlicher Eintragungen des Gerolsteiner Sterbebuches infolge von Ruhr und Typhus“. Gemeinsam erläutern beide eine Skizze des alten Friedhofs , auf der die letzten Ruhestätten der französischen Soldaten  mit teils bekannten Namen näher bezeichnet wurden.

Das Ehepaar Merkelbach  hatte das Treffen  organisiert. Sie  erforschen  Geschichte -insbesondere die ihres Wohnortes Pelm. Unermüdlich schöpfen  sie Informationen aus verschiedensten  Quellen und fügen sie wie in einem Puzzle zusammen. Ihre Publikationen genießen nicht nur bei Historikern, sondern auch in der Bevölkerung hohes Ansehen.

Mit Blick auf die, durch Jean Paul Blanchard mitgebrachte, französische Fahne drapeau tricolore „aus der Zeit“ wurde in einer Schweigeminute der  Kriegsopfer gedacht.  Jocelyne Nichele verlas  Namen ergänzt mit Geburtsort und Sterbedaten. „Leider wurden sie nicht auf einer Tafel an der Gedenkstätte verewigt, wie es in Frankreich auch für Deutsche Gefallene üblich ist“, bedauern Blanchard und Merkelbachs.

Das Sandstein-Denkmal wurde von französischen Landsleuten (compatriotes) finanziert . Unterstützt durch  Kaiser Wilhelm I fand es einen Platz auf dem  Friedhof Sarresdorf.  Umgangssprachlich nennen  Gerolsteiner es das "Franzosen Kreuz". Die französische Inschrift lautet:

A la mémoire des soldats français décédés en 1870–71. R.I.P.

Et nunc meliorem patriam appetunt.

  • die Übersetzung lautet:

Zum Gedenken

an die französischen Soldaten

gefallen 1870-71.

Betet für sie

Und jetzt streben sie dem besseren Vaterland zu. (Heb. XI.: Bibel, Brief an die Hebräer, Kapitel 11, Verse 14 bis 16)

Errichtet durch ihre Landsleute.

 

In Sichtweite des Friedhofs befindet sich eines der Wahrzeichen von Gerolstein, der Auberg. Wie Wolfgang Merkelbach berichtete, befand sich dort Ende des Krieges ein Biwak. Die Versorgung der Gefangenen fand größtenteils durch die Hilfsbereitschaft der Gerolsteiner Bevölkerung, insbesondere der hiesigen Bauern statt. Thea Merkelbach erzählte  von ihren Recherchen in regionalen und überregionalen Archiven.  „Epidemien, wie beispielsweise  Typhus, Ruhr oder Pocken, brachen aus. Es herrschte Hungersnot und großer Mangel. Verwundete mussten versorgt werden“.

Veröffentlichungen des Trierer Stadtbibliotheksdirektor Gottfried Kentenich belegen die Ankunft von 80.000 Kriegsgefangenen in der Moselstadt. Von dort aus wurden Verletzte  mit Dampfschiffen nach Koblenz gebracht. Halbwegs Gesunde mussten weite Strecken durch die Eifel marschieren. „Die Bahnstrecke von Speicher nach Gerolstein waren noch nicht fertig gestellt, Deshalb musste dieser Teil zu Fuß zurück gelegt werden“, so Wolfgang Merkelbach .

Im Laufe der Zeit gelangten viele Tausende  französischer  Kriegsgefangenen  von Trier nach Gerolstein.  Ab November 1870 war der Abschnitt von Gerolstein nach Kall befahrbar und ermöglichte den Transport mit Bahn-Wagons  Richtung Köln.

Die französischen Soldaten wurden nach einem Aufenthalt von zwei bis drei  Wochen in Zügen mit Ziel Köln, Düsseldorf und Ruhrgebiete weiter transportiert. Täglich verließen fünf  Züge, bestehend aus sechzig  Wagons, beladen mehr als zweitausend Gefangene plus Bewachungsmannschaften den  Bahnhof in Gerolstein. Der Streckenausbau der Bahn Trier – Köln wurde auch mithilfe des Einsatzes von Kriegsgefangenen vorangetrieben. Dazu berichtete der  Volksfreund 26./26.Juni 2021 in einem Artikel von Karl-Josef Bales  „Bau der Eifelbahnen vor 150 Jahren“.

Eine Trierer Zeitung berichtete damals „Einen traurigeren Anblick als diese gefangenen Franzosen hat wohl selten eine geschlagene Armee geboten „ und weiter heißt es: „Einige sollen sogar auf dem Marsche gestorben sein“.

 Wieviel Soldaten in Gerolstein auf dem Sarresdorfer Friedhof beerdigt wurden, lässt sich nicht mehr genau ermitteln. Lt. Jean Paul Blanchard versucht man in militärischen Archiven in Frankreich weiter nachzuforschen, um auch den Namenlosen eine Identität zu geben. Parallel dazu, recherchieren historisch interessierte Eifeler, wie Thea und Wolfgang Merkelbach, Rainer Nowotny und der Vorsitzende der Reservisten Kreisgruppe Eifel, Reiner Krämer deutsche Quellen, wie z.B. das Landesarchiv in Koblenz.

An in Gerolstein  geborene,  gefallene Soldaten erinnert ebenfalls ein Kriegerdenkmal. Es steht am Ehrenfriedhof. Im Stil des Klassizismus mit Postament,  Obelisk und Kreuz gestaltet, lautet seine Inschrift:

Zur
Erinnerung an die
verstorb. Veteranen
der Feldzüge
1848-64-66-70/71
die siegreich waren als der
Feind uns drohte.

 

Manche Geschichtsforscher stufen den Deutsch-Französischen Krieg als eine Etappe auf dem Weg zu den totalen Kriegen des 20. Jahrhunderts ein. Erst lange nach 1945 konnte die „Erbfeindschaft“ der beiden Völker überwunden werden. Dabei helfen auch gewachsene Verbindungen von Historikern,  die nicht nachlassen, auf Gedenkveranstaltungen an die Kriegsopfer zu erinnern.

 Zum Abschluss richteten Wolfgang Merkelbach und Rainer Nowotny noch einige kritische Worte an die  Vertreter der  Stadt Gerolstein. Sie bemängelten die fehlende Wertschätzung  der Kriegs-Kulturdenkmäler von deutscher Seite aus und unterbreiteten Verbesserungsvorschläge.

Wie auch im Jahre 1895 - zur 25-jährigen Wiederkehr der Gedenktage von 1870-71  -durch Professor Lindner, Universität Halle, in „Der Krieg gegen Frankreich und die Einigung Deutschlands“ geschrieben wurde:

„Die große Erzieherin ist die Geschichte. Sie hält dem Volke den Spiegel vor“

 

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